Mein persönlicher Abschied von MIXED

Liebe MIXED-Leserinnen und -Leser,
für die meisten von euch war die heutige Neuigkeit sicherlich überraschend. Tatsächlich hat sich das Ende von MIXED in seiner bisherigen Form schon seit Längerem abgezeichnet.
Die vergangenen neun Monate waren psychisch sehr belastend für mich, da lange unklar war, ob und wie es mit MIXED weitergehen würde. Unser Traffic war zuletzt unberechenbar geworden – eine Woche lief gut, die nächste katastrophal. Genauso fühlten wir uns auch. Die letzten Monate glichen einer Achterbahnfahrt der Gefühle, in der das Unausweichliche immer konkretere Gestalt annahm. Die Gewissheit, dass nun ein neues Kapitel beginnt, empfinde ich als große Erleichterung.
Für alle, die mich nicht kennen: Mein Name ist Tomislav und ich habe seit 2016 bei MIXED (damals noch VRODO) mitgewirkt und gemeinsam mit dem Gründer Matthias Bastian in den ersten Jahren aufgebaut. Insgesamt habe ich knapp neun Jahre ohne Unterbrechung für MIXED geschrieben und in dieser Zeit mehr als 6.000 Artikel veröffentlicht. Mit der Geschichte und Entwicklung des Blogs bin ich daher eng verbunden.
Mit diesem Artikel verabschiede ich mich auf persönliche und emotionale Weise von MIXED – weil es meiner Art entspricht, Abschied zu nehmen, und weil es sonst niemanden gibt, der diesen Schritt für MIXED gehen und im Detail erzählen würde, was mit dem Magazin passiert ist.
Eine lange Abwärtsspirale
MIXED war nie ein lukratives Unterfangen. Es lebte von Anfang an von der Leidenschaft seiner Autoren und der Bereitschaft, unzählige Stunden pro Woche – oft abends und an Wochenenden – in das Schreiben zu investieren, für manche von uns zusätzlich zu regulären Jobs. Solange wir Rückenwind hatten, konnte sich MIXED einigermaßen tragen und gelegentlich sogar Gewinn abwerfen.
Noch vor eineinhalb Jahren war die Website gut aufgestellt. Unser englischsprachiges Pendant, das Ende 2021 online ging, wuchs schnell und überholte das deutsche Original binnen kurzer Zeit in Bezug auf Seitenaufrufe. Wir profitierten vom Aufschwung der VR-Branche: Die Oculus Quest 2 verkaufte sich millionenfach, und der von Facebook im Jahr 2021 ausgelöste Metaverse-Hype rückte Virtual Reality wieder ins öffentliche Interesse. Im Vorfeld der Meta Connect 2023 erreichte die englische Ausgabe von MIXED ihre maximale Reichweite.
Doch nur wenige Tage nach der Konferenz folgte der Schock: Googles Suchalgorithmus stufte die englische Seite ab, wodurch unsere Artikel kaum noch über Google Discover und Google News ausgespielt wurden. Der Traffic brach über Nacht um geschätzte 90 Prozent ein. Artikel, die zuvor vier- oder fünfstellige Aufrufzahlen erzielten, kamen plötzlich nur noch auf wenige Hundert.
Der wahrscheinlichste Grund für diesen Einbruch war ein Core-Update von Googles Suchmaschine. Betroffen waren nicht nur wir, sondern Tausende andere kleine und mittelgroße Online-Magazine und Blogs, deren Existenzgrundlage von heute auf morgen zerstört wurde. Die englische Seite war de facto erledigt, wurde jedoch in der vergeblichen Hoffnung weitergeführt, dass der verlorene Traffic zurückkehrt.
Anfang 2024 passten wir unsere Strategie an und intensivierten unser Engagement noch einmal – vergeblich. Was der englischen Seite widerfahren war, traf nun auch die deutsche. Nur langsamer. Es begann ein zermürbender Abnutzungskrieg mit Googles Suchalgorithmus, der MIXED zunehmend die wirtschaftliche Grundlage entzog.
Sinkende Einnahmen führten zu knapperen Ressourcen – und weniger Ressourcen bedeuteten, dass weniger Redakteure mehr produzieren mussten. Die Folge: eine stärkere Fokussierung auf Themen mit hohem Klickpotenzial, eine Tendenz zu reißerischen Überschriften und ein Verlust an inhaltlicher Vielfalt. Darunter litten Qualität, Themenbreite und letztlich auch unser Ruf – was den Abwärtstrend weiter beschleunigte. Ein Teufelskreis.
Ein letztes Hoch erlebten wir – saisonal bedingt – zur Weihnachtszeit. Doch der Hoffnungsschimmer war von kurzer Dauer. Ab Februar wurde der Traffic auf der deutschen Webseite zunehmend unregelmäßig und unberechenbar. Wir stellten fest, dass Artikel immer seltener von Google ausgespielt oder gefunden wurden – selbst bei Themen, die früher zuverlässig Leser:innen anzogen.
MIXED hatte einige Hundert Plus-Abonnent:innen, doch deren Zahl war rückläufig und reichte nie aus, um auch nur das Gehalt eines einzigen Redakteurs zu finanzieren. Als Online-Magazin waren wir deshalb auf Google-Werbeeinnahmen angewiesen.
Natürlich spielten viele weitere Faktoren in die Entwicklung von MIXED hinein. Die Konkurrenz nahm zu: Andere Fachblogs und YouTuber buhlten um die Aufmerksamkeit unseres Publikums, ebenso wie weitere Unterhaltungs- und Informationsangebote jenseits von Virtual Reality. Die jüngere Generation schaut und hört zudem eher, als dass sie liest – ein Trend, dem klassische Online-Magazine nur wenig entgegensetzen können.
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Dennoch bin ich überzeugt: MIXED hätte sich anders entwickeln können, wenn Google seine Suchmaschine so umgestaltet hätte, dass sie auch kleinen Publikationen faire Chancen bietet. Wir sind über Jahre organisch gewachsen, und das Interesse an unseren Artikeln war eindeutig vorhanden. MIXED hat neben der regulären Berichterstattung viele einzigartige Inhalte geschaffen, die unseren Leser:innen echten Mehrwert bieten – Inhalte, die es nirgendwo sonst im Internet gibt.
Virtual Reality im Wandel
Ein weiterer entscheidender Faktor in der Entwicklung von MIXED war die Entwicklung der VR-Branche selbst. Je besser es der Branche ging, desto besser ging es auch MIXED. Das Gegenteil traf leider ebenfalls zu.
Die Jahre 2015 bis 2018, in denen PC- und Konsolen-VR den Ton angaben, waren für MIXED die schwierigsten. Mit dem Aufkommen autarker VR-Headsets und dem Erfolg der Quest 2 ab 2020 begann eine neue Phase, die sowohl der Branche als auch MIXED Wachstum und eine echte Zukunftsperspektive eröffnete.
Doch dieser Aufschwung erwies sich als kurzlebig. Zwar haben Geräte wie die Playstation VR 2, die Apple Vision Pro und die Meta Quest 3(S) die Technologie weiterentwickelt, doch keines konnte bisher an den Erfolg der Quest 2 anknüpfen. Viele erwachsene Nutzer:innen und VR-Enthusiast:innen, die vor wenigen Jahren noch bereit waren, Geld für Premium-Titel auf der Quest auszugeben, sind verschwunden. Ihren Platz nahmen Kinder und Jugendliche ein, die sich vor allem für Free-to-Play-Titel begeistern. Dieser Wandel der Nutzerschaft stellt etablierte VR-Studios, die seit zehn Jahren oder länger in das Medium investieren, vor große Herausforderungen: Sie müssen neue Strategien und Geschäftsmodelle entwickeln. Viele haben Mitarbeitende entlassen, einige Studios wurden ganz geschlossen.
Auch MIXED hat diesen Umbruch zu spüren bekommen. Die Kinder und Jugendlichen, die heute besonders aktiv VR nutzen, lesen keine Blogs. Sie bewegen sich auf YouTube und TikTok – Plattformen, auf denen wir nicht präsent sind.
Ich habe vor einigen Monaten in einer Kolumne geschrieben, dass ich mich allmählich zu alt für Virtual Reality fühle. Die meist älteren VR-Kernnutzer:innen sehen sich zunehmend einer neuen Generation gegenüber, die die Entwicklung der Quest-Plattform in den kommenden Jahren stark prägen wird. Ich bin gespannt, was diese ersten "VR-Natives" mit dem Medium anstellen werden, wenn sie erwachsen sind – und wo und wie sie sich später über VR informieren werden.
Man kann es nicht oft genug betonen: Virtual Reality steckt wirtschaftlich und technologisch noch immer in den Kinderschuhen.
Neun Jahre nach der Einführung der ersten erschwinglichen Headsets ist die VR-Branche noch immer fragil – dominiert von einem einzigen Ökosystem, das durch Werbeeinnahmen subventioniert wird und kaum ernstzunehmende Konkurrenz hat. Aktuelle Geräte sind in Sachen Formfaktor, Bedienbarkeit und Anwendungsszenarien noch weit von echter Massentauglichkeit entfernt. Das erlebe ich jeden Tag aufs Neue, wenn ich VR allein und mit anderen zusammen nutze. Und dennoch: Ich bin optimistisch, dass die Technologie eines Tages ihren Weg zum Erfolg finden wird.
Die Hochs und Tiefs der letzten neun Jahre zu begleiten war faszinierend, nervenaufreibend – und immer wieder überraschend. Ich bin gespannt, wohin die Reise für VR und AR geht, und werde die Entwicklung künftig bei heise online begleiten. Mein Abschied von MIXED ist also kein Abschied von VR – im Gegenteil.
Ich möchte mich herzlich bei allen Leserinnen und Lesern bedanken, die uns über die Jahre die Treue gehalten haben. Ich hoffe, dass meine Artikel euch VR nähergebracht oder euch Erfahrungen in VR ermöglicht haben, die ihr sonst vielleicht nie gemacht hättet – und die euer Leben bereichert haben. Denn das ist letztlich der Grund, warum ich schreibe.
Tomislav Bezmalinović
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